
Erkenne dich selbst: Inschrift am Eingang des Apollo-Tempels in Delphi. (Bildquelle unbekannt. Urheberschaft vor Abmahnung bitte anmelden.)
Heute hatte ich einen Traum: Ich stand in einem goldenen Saal. Da trat ein Mann in einem weißen Kleid vor mich. Wer bist du, fragte er. Ich begann mich zu erklären: Wie ich hieße, was ich täte, wo ich wohnte, was ich mochte – doch ehe ich am Ende war, drehte er sich um und ging. Der Saal wurde dunkel und ich fand mich allein in einer körperlosen Schwärze. Ich war beunruhigt von dem Nichts, das mich umschlang, und wäre vor Angst gestorben, wäre nicht etwas in mir aufgeblitzt, etwas jenseits der Gedanken; aus einer Zeit vor der Zeit, in der das große Nichts allgegenwärtig war, in dem es Heimat war.

無 – „Mu“; vgl. Wikipedia
Eine lange oder kurze Weile später kehrte das Licht zurück. Wieder fand ich mich in jenem goldenen Saal, wieder trat der weißgewandete Mann vor mich, sah mich an und fragte: Wer bist du? Diesmal blickte ich ihm fest in die Augen, formte die Lippen zu einem zaghaften Lächeln, hob die rechte Hand – und landete eine schallende Backpfeife in seinem Gesicht. Ein Funkeln durchspielte seine Augen, und wie auf ein geheimes Zeichen hin brachen wir beide in schallendes Gelächter aus. Mu, wollte ich sagen, doch da klappten alle Begrenzungen des Raumes auseinander und ich schwebte in einem gleißenden Licht durch ein Gefühl, das jenseits von Schlecht und Gut zuhause ist. Mit diesem Gefühl erwachte ich.
Ein italienisches Sprichwort besagt: Des Menschen großer Feind ist seine eigene Meinung. Wie lautet Ihre?