Meistergeister und Digitalnomaden

DNP Mastermind Day 2017 in Hamburg

Lesezeit: ca. 6,5 Minuten

Die Welt als Büro

Arbeiten, wo andere Urlaub machen; Geld verdienen in der Hängematte – das ist das Idealbild eines Digitalnomaden. In Deutschland hört derzeit jeder anständige Digitalnomade zwei jungen Männern zu: Sascha Boampong und Timo Eckhardt sprechen in ihrem Digitale-Nomaden-Podcast (DNP) mit Menschen, die bereits Digitalnomaden sind oder auf dem Weg dorthin. Es muss nicht immer die Hängematte auf Bali sein: Selbstbestimmtes, ortsunabhängiges Arbeiten ist das rote Seil, auf dem alle Akteure der Szene balancieren. Und die nimmt im Windschatten des DNP stetig Fahrt auf.

Sascha und Timo bei der Begrüßung. Ihren eigenen Rückblick auf den Mastermind-Tag können Sie sich übrigens hier anhören.

Sascha und Timo begrüßen die Teilnehmer des DNP Mastermind Day. Ihren eigenen Rückblick auf die Veranstaltung können Sie übrigens hier hören. Foto: DigitaleNomadenPodcast.de

Realize before you digitalize

Zum Glück gibt es Erfahrungen, die lassen sich nicht digitalisieren. Darum begegnen sich auch Digitalnomaden gern analog, zum Beispiel, um voneinander zu lernen. So geschehen am Samstag vor einer Woche auf dem DNP-Mastermind-Tag in Hamburg. Mastermind – was ist das nun wieder, fragen Sie sich? Habe ich mich auch gefragt. Klären wir eben:

Séance mit Meistergeistern

Mastermind – auf Deutsch: Meistergeist – ist der Name einer Technik, mit der Sie in Kleingruppen Ideen, Pläne und Konzepte entwickeln, verbessern und untersuchen können. Dafür benötigen Sie eine Handvoll Teilnehmer mit ähnlichem Hintergrund – in unserem Fall Digitalnomaden und verwandte Geschöpfe –, eine Stoppuhr, Stifte und Papier. Im Rahmen einer Sitzung hat jeder Teilnehmer fünf Minuten Zeit, ein Problem, eine Vision oder einen Status quo vorzustellen. Dann gibt jeder der Übrigen seinen Senf dazu: Tipps, Kritik, Denkanstöße, eigene Erfahrungen und so fort; fünf Minuten je Teilnehmer. Die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten und der Fragesteller teilt der Gruppe mit, welche der Punkte und Ideen er in den kommenden 72 Stunden umsetzen wird. Klingt einfach, ist es aber auch. Und wahnsinnig effizient, wenn man es richtig macht. Was ich daraus mitgenommen habe, lesen Sie weiter unten.

Zwischen Müsli und Gin-Tonic

Der Mastermind-Tag begann Samstagfrüh um 08:00 Uhr mit einem Müslifrühstück. Wie Sie richtiggehend befürchten, sind Digitalnomaden der Albtraum jeder Küchenminna: Alles muss entweder vegan sein oder glutenfrei, und wenn nicht, dann wenigstens mit Algen. Dazu ein grüner Smoothie. Klar. Zum Glück war einer der zwei Sponsoren der Veranstaltung ein äußerst hipper Cerealienfabrikant (dessen Namen ich hier gern erwähne, wenn ich einen Jahresvorrat der getreide- und zuckerfreien Kakaomischung bekomme – mit Algen). Das Frühstück genossen wir, wie auch den Rest des Programms, im Mindspace, einem schnieken Cowork am Hamburger Rödingsmarkt.

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Ein Bild vom späteren Abend, der Gin-Tonic-Tageszeit: der Autor mit den angehenden Nomaden René und Robin auf dem Lümmelsofa. Selfie: Robin Stolberg

Barcamp – das Unseminar

Nach dem Frühstück begann das Vormittagsprogramm: Sogenannte Unseminare, deren Namen ich so hübsch finde, dass ich die Bezeichnung Barcamp hier nur der Vollständigkeit halber erwähne. Das Konzept: Alle Teilnehmer sind eingeladen, selbst spontane Seminare zu halten. Kein Frontalunterricht allerdings, sondern ein gemeinsames Arbeiten in flacher Hierarchie (daher das Un-). Der Initiator eines solchen Unseminars muss kein Experte sein, sondern kann auch mit einer offenen Frage in die Runde starten. Mein Unseminar lief zum Beispiel unter dem Titel: „Spitz oder breit? Spezialist oder Generalist – habe ich Fokus oder Persönlichkeit?“ Über mögliche Antworten werde ich in einem späteren Beitrag berichten.

Sascha, Timo und Bano verteilen Unseminare auf Räume und Uhrzeiten. Foto: Robin Stollberg

Die Gastgeber Sascha, Timo und Bano verteilen Unseminare auf Räume und Uhrzeiten. Foto: Robin Stolberg

Meine Meistergeister

Nach den Unseminaren gab’s ein Mittagessen, eine kleine Pause und dann eben die Mastermind-Séancen. Ich landete in einer Vierergruppe mit Lea*, die gerade dabei ist, eine menschenfreundliche Onlinemarketingagentur zu gründen; Stefan*, der bald sein Studium beendet und nach Wegen sucht, Filmemachen und Webdesign unter einen Hut zu bringen; und Dominik*, der seinen Job in der IT-Branche verlassen möchte, um sich ganz seiner Leidenschaft zu widmen, dem Online-Trading und Währungshandel. Alle drei gingen mit neuen Ideen und einem guten Gefühl aus der Session – Ideen, auf die sie allein nicht gekommen wären, so einfach sie auch scheinen mochten. Das ist ja das Tolle.

Und ich?

Ich hatte einen guten Monat Zeit, um mir eine konkrete Frage zu überlegen, mit der ich in die Séance starten würde. Ich habe mich dagegen entschieden. Also erzählte ich einfach, wo ich mit meiner Selbstständigkeit stehe, welche Ziele ich habe, wo es hapert und was ich mir wünsche. An die Rückmeldungen aus der Gruppe hegte ich keine großen Erwartungen. Im Tausch für meine Worte bekam ich dennoch frischen Wind – inklusive einiger origineller Böen aus eher unerwarteten Richtungen. Drei Punkte habe ich in den folgenden 72 Stunden umgesetzt:

  1. Ruhiger Ort: Ein paar Tage finden, an denen ich mich irgendwo in der Stille einquartiere, um an meiner Vision für mein Leben und meine Arbeit zu feilen.
  2. Wertekompass: Fünf Werte finden, mit denen ich mich identifiziere und die mir bei künftigen Entscheidungen helfen.
  3. Roter Faden: Eine klare Linie in meine Angebote / Produkte bringen und neue Angebote / Produkte konzipieren, die daran anknüpfen.

Das ist aber nur ein Bruchteil der vielen Punkte, die ich in ihrer Gesamtheit bereits auf einer Gedankenkarte festgehalten habe. Die kommt dann mit an den ruhigen Ort, wo ich sie weiter polieren werde. Die Auswirkungen werden Sie auch hier auf der Website zu sehen bekommen, soviel ist sicher.

Empfehlung – aber nicht für jeden

Würde ich noch einmal an einem DNP-Mastermind-Tag teilnehmen? Werde ich ganz sicher. Wer wirklich und ernsthaft selbstständig und ortsunabhängig arbeiten möchte, dem würde ich das auch empfehlen. Aber eben nicht jedem: Sind Sie etwa ein überzeugter Einzelkämpfer und hassen alle Menschen, dann werden Sie dort nicht glücklich werden. Und falls Sie das alles zwar recht spannend finden, aber aus guten Gründen nicht bereit sind, die vermeintliche Sicherheit und Bequemlichkeit Ihres Neun-bis-fünf-Jobs zu verlassen, dann sparen Sie sich das Geld. Veranstaltungen dieser Art sind nicht für Schwärmer und Theoretiker gemacht, sondern für Menschen, die ins (Weiter-)Machen kommen wollen.

Ein paar dieser Menschen habe ich mit nach Hause genommen. Allein dafür hat es sich gelohnt.

Auf der Aftershowparty. V.l.n.r.: Renan (das bin ich), Scarlett (Text & Konzept), Leo (Blogger, Programmierer)

Auf der Aftershowparty. V.l.n.r.: der Autor, Scarlett (Texte & Konzepte), Leo (App-Entwickler) Fotobox: Christoph Engel

  • Namen geändert.
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Veröffentlicht in Nachlese, Veranstaltung

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