Turmult und KUHnst am Niederrhein

Das englische Wort turmoil bedeutet Aufruhr, Tumult, Getümmel oder Trubel. Vielleicht liegt es in der Natur(m) der Sache, dass Turmkunst und Turmkultur immer auch ein wenig Rebellion erfordern.

[Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Serie zu Aloys Cremers. Teil eins ist hier zu lesen: „Ich bin nicht lieb! Aloys Cremers, Kerouac und das Nichts am Niederrhein“]

Nichts zu sehen

Es ist März. Genau in dem Moment, in dem ich dies schreibe, fährt der Bus, in dem ich sitze, am Nichts vorbei – einem dieser aufmüpfigen Türme, die mich begleiten, seit ich selbst als Vallanist an der Seite von Manu Bechert zum Turmwirker wurde.

Der Orsoyer Containerturm Nichts ist das geistige Kind von Reinhold Kuch und Aloys Cremers. Als niederrheinisches Perpetuum mobile ist die alternative Freiheitsstatuet ein Eckstein in Aloys’ Niederrheinzyklus, einer von vielen. Das Nichts wirkt bereits, auch wenn es offiziell noch eine Baustelle ist – doch schon jetzt gibt es hier Nichts zu sehen. Gestern saßen wir zu dritt beieinander, bei einem Kaffee in Reinholds Garage, und haben über den status turris geredet. Wir sind uns sicher, dass Reinhold als Turrist schon bald Touristen in Orsoy empfangen wird, die das Nichts ausfüllen und mit ihrer Eigenenergie beleben, aufeinandertreffen und ihre Wesenskerne zum Strahlen bringen, als wären sie auf der Suche nach dem Higgs-Bosom – ganz im Sinne der Aloys’schen Befreiungsphilosophie.

TurmArt und KUHnst

Aloys’ erster Turmstreich gipfelte in einem Studierbuch der FernUni Hagen, das er uns nach unserem Einzug im Vallan beim Einstandsbesuch in die Hände drückte. Darin konserviert: Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der TurmArt in Geldern. Ab 1993 hatte Aloys mit der Künstlergruppe KUHnst Ausstellungen und Spektakel im alten Gelderner Mühltenurm auf die Hufen gestellt, aus denen der KUHnst Turm Niederrhein e.V. hervorging. 1999 kaufte der Verein den Wasserturm am Ende des Gelderner Bahnhofsparkplatzes. Anstelle der TurmArt gab und gibt es hier das TurmStipendium: Einige Wochen lang werken und wirken die Stipendiat:innen im Turm – wer mag, kann zugucken, und die entstandenen Kunstwerke werden später ausgestellt.

Das KUHnst-Konzept stammt ebenfalls von Aloys, gemeinsam mit Peter Busch haben die beiden KUHnstler es vor der TumArt aus der Tränke gehoben. Das zusätzliche H weitet den Kunst-Begriff, fügt etwas hinzu, und steht dem künstlichen in der Kunst, dem Prothesenhaften, entgegen. „Eine Addition, die sich […] auch als Referenz auf die Niederrheinische Landschaft deuten ließ, eine augenzwinkernde Referenz, die von Anfang an Humor (und Selbstdistanz) statt gnadenloser Intellektualität mit sich führt“, ergänzt der Soziologe und Systemtheoretiker Prof. Dr. Peter Fuchs in einer Analyse.

Ein türmender KUHnstler mit Nichts im Gepäck

Es ist April. „Türme, als Probleme, versperren die Sicht – man kann dem Problem ausweichen, indem man drumherum geht, oder man geht in den Turm, in das Problem hinein“, erklärt Aloys. Es ist gut zwei Wochen später, wir stehen in seinem Keller und er zeigt mir, was er alles mitnehmen will: Aloys türmt nämlich gerade, zumindest ein bisschen, nach Kevelaer, wo ihm ein Atelier zur Verfügung steht, und ich bin einer von einigen, die ihm dabei helfen, alles Nötige zusammenzupacken: Schränke, Drucke, Gemälde und Utensilien; jedes Teil hat eine Geschichte.

Zwischen den Ohren

Es ist Mai. Irgendwie ist ja jeder Mensch ein Turm, sage ich mir, während ich an gestern denke. Aloys hat uns mal wieder am Spanischen Vallan besucht, dem Turm im Rheinberger Stadtpark, der seit knapp zweieinhalb Jahren das Zentrum unseres Schaffens darstellt. Plakate und Broschüren hat Aloys vorbeigebracht, und viele Neuigkeiten aus seinem Atelier in Kevelaer, seinem Kulturlabyrinth, in dem er seine NachLast in Form eines gigantischen DANKMALS in den Kosmos quirlt. Danke sagen möchte er, sein Nichts wirken lassen in den Menschen, diesen wandelnden Türmen.

Denn Aloys’ KUHnst mag zwar auf Bildern, in Büchern und auf Skulpturen abgebildet sein – stattfinden tut sie aber zwischen den Ohren. Es geht dabei um Freiheit, und wenn Aloys von seinem Nachlass redet, meint er nicht primär die Dinge, die Luft verdrängen, all diese Lasten – er meint die Fortpflanzung des Nichts in die nächste Generation, das Fortleben der Befreiung der Köpfe und Herzen. Indem er das erlebbar macht, kann es sich verbreiten. „Ich mache nur Türen auf“, sagt er, für die nächste Generation. „Jetzt seid ihr dran, etwas daraus zu machen.“ Was genau, das möchte er nicht bestimmen, denn das Nichts hat seine eigene Dynamik, sobald es einmal zwischen den Ohren angekommen ist.

Nichts zu verstehen, dazu lädt er ein, nach Kevelaer in sein Labyrinth in der Hauptstraße 22, zu den Kreis Klever Kulturtagen, am 20. und 21.05. von je 10 bis 17 Uhr. Details folgen – wir Vallanisten sind am Samstag jedenfalls auch zugegen und ich bringe meine Gitarre mit.

Wenn Ihnen gefallen hat, was Sie hier gelesen haben, und Sie weitere Einblicke dieser Art in das Werk Aloys Cremers’ und anderer niederrheinischer Kulturitäten nicht scheuen, abonnieren Sie gern diesen Blog. (Falls Sie nicht wissen, wie das geht, schreiben Sie mir einfach eine Nachricht.) Und schauen Sie doch mal auf Aloys’ Website vorbei: www.aloys-cremers.de Die ist zwar nicht ganz aktuell, aber es gibt trotzdem eine Menge Nichts zu sehen.

HIER finden Sie mehr zum Spanischen Vallan.

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Veröffentlicht in Porträt
One comment on “Turmult und KUHnst am Niederrhein
  1. […] Hier geht es weiter zu Teil 2 der Reihe: Turmult und KUHnst am […]

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